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Moulagen – Dokumentationen aus Wachs

 

Von den Anfängen am Königshof bis zum Museum am Unispital. Moulagen dokumentieren, lehren, faszinieren. Und manche BetrachterInnen ekeln sich bei diesen wirklichkeitsgetreuen Abbildungen erkrankter Körperteile. Sicher aber lassen sie niemanden kalt.

 

Doch heute ist die letzte Moulageuse pensioniert und in den Vorlesungen wurden die Moulagen durch die Fotografie abgelöst. Im Moulagenmuseum sind diese Kunststücke jedoch nach wie vor zu sehen.


Keroplastiken – von königlichen Porträts zur anatomischen Aufklärung

Keroplastik nennt sich die uralte Kunst, aus Wachs Figuren herzustellen. Berühmtestes Beispiel ist hierfür wohl Madame Tussauds Wachsfigurenmuseum in London. Madame Tussaud, geborene Marie Grosholtz, begann ab 1780 in Versailles Porträts der königlichen Familie und damit des untergehenden Ancien Régime anzufertigen. Sie ahnte sicher nicht, in welch gruseliger Welt sich Wachsfiguren im Jahrhundert nach der Französischen Revolution bewegen würden: Horrorfiguren mit Titeln wie „Lebendig begraben“ wurden Attraktionen auf Jahrmärkten und in Panoptiken und mit zunehmender Technisierung entstanden aus Wachs auch bewegte Geisterbahn-Automaten.
Die mit der Französischen Revolution aufgekommene Aufklärung verstand man in einigen Bereichen wörtlich: Der menschliche Körper wurde so gründlich untersucht genommen wie nie zuvor, um ihn begreifen und - in Wachs nachgebildet - betrachten zu können. Dafür bediente sich die Anatomie der Keroplastik – der Wachsskulptur. Die ersten anatomischen Wachsskulpturen entstanden in Florenz und Bologna, wo es dazu auch Ausstellungen gibt. Das Museo delle Cerre Anatomiche „Luigi Cattaneo“ bietet eine virtuelle Tour >>.


Etwas später, Anfang des 19.Jahrhunderts, entwickelte sich dann die wissenschaftliche Pathologie: Ärzte betrachteten Krankheiten nicht mehr als Störung des inneren Säftegleichgewichtes, sondern begannen damit, wahrnehmbare Anzeichen von Krankheit zu beschreiben, neue Beobachtungen aufzuzeichnen und Krankheitsbilder zu klassifizieren. Gleichzeitig nutzte man die Technik der Keroplastik als geeignetes Medium um Krankheiten zu dokumentieren, in dem man sie weiterentwickelte. Diese, aus einem Wachs-Harzgemisch hergestellten, dreidimensionalen Abbildungen erkrankter Körperteile übertreffen in ihrer Wirklichkeitstreue noch heute jede Fotografie. Kein anderer Werkstoff war so gut geeignet, Formen exakt nachzubilden oder die Haut so verblüffend echt zu imitieren. Das Wachs liess sich problemlos mit anderen Materialien verbinden: mit Textilien aller Art, mit Echthaar, Horn oder getrocknetem Hautleim für die Nägel, Glas für die Augen. Zusammen mit dem Wachs vermengten Pigmenten, kann man alle gewünschten Farben erzielen, unter anderem perfekte Inkarnate mit "rosinierten" Wangen.
Bis in die 1950er Jahre wurden solche Wachsplastiken in Forschung und als Anschauungsmaterial an medizinischen Zentren in Europa verwendet.

 

 

Geschichte der Wachsmoulagen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Haut als ein Organ mit eigenständigen "Hautkrankheiten" angesehen wurde, und sich das Spezialfach der Haut- und Geschlechtskrankheiten herauszubilden begann, entstand das Bedürfnis, die unterschiedlichen Hauterscheinungen möglichst detailgetreu zu beschreiben und in Bildern und Nachbildungen festzuhalten. Es wurden die ersten Abgüsse (Moulagen) von Hautausschlägen aus Wachs hergestellt und angefärbt.

 

Zu den ersten "Moulageuren" gehörte sehr wahrscheinlich F. H. Martens (1778 - 1805), Privatdozent in Jena, der nach einem Zitat von J.W. Goethe "besonders pathologische Curiosa, vorzüglich auch syphilitische Krankheitsfälle in gefärbtem Wachs mit grösster Genauigkeit darzustellen bemüht war". Auch in England, am Guy's Hospital in London wurden während 53 Jahren über 1000 dermatologische, pathologische und anatomische Wachspräparate hergestellt. Ebenfalls von grosser Bedeutung war die Moulagensammlung des Hôpital St. Louis in Paris, einer der ersten Kliniken für Hautkrankheiten. Es wurden über 3000 Moulagen von interessanten und typischen Haut- und Geschlechtskrankheiten hergestellt. Die Ausstellung der Moulagen am ersten internationalen Kongress für Dermatologie und Syphiligraphie 1889 im Hôpital St. Louis in Paris beeindruckte die Fachärzte aus ganz Europa und Übersee derart, dass in der Folge an vielen Kliniken Moulagensammlungen eingerichtet wurden.

 

So entstanden grössere Sammlungen in Wien, Breslau, Freiburg i.Br., Berlin, aber auch in Athen, Moskau, Tokyo. Die meisten Moulageure entwickelten ihr eigenes Rezept und ihre eigene Technik und bewahrten diese als strenges Geheimnis. Fritz Kolbow aus Berlin gab seine Technik an seine Schülerin Lotte Volger weiter. Diese modifizierte das Verfahren und brachte es nach Zürich, wo diese Technik heute noch verwendet wird.


Die Wachsmoulagentechnik
Die Moulage wird über ein Negativ aus Gips oder Silikon gegossen. Dazu wird in der Regel ein Abdruck aus fein zeichnendem Gips von der entsprechenden Hautoberfläche genommen. Im Schwenkguss wird das Negativ mit der durch Wärme verflüssigten Moulagenmasse ausgegossen und anschliessend im Wasser von der Moulage getrennt. Die Moulagenmasse besteht aus gebleichtem Bienenwachs, Dammarharz und Calciumcarbonat. Sie wird vor dem Giessen mit den in Terpentinöl gelösten Farben Krapplack, Kobalt, Bitumen und Gummigutt nach der hellsten Stelle des zu moulagierenden Hautabschnittes eingefärbt. Das Positiv wird mit einem heissen Modelliereisen nachbearbeitet, Korrekturen werden angebracht, im Original transparente Blasen müssen ausgeschnitten und durch nachgebildete Blasen aus Paraffin, Harz oder Glas ersetzt werden.


Nun wurden bei gutem Tageslicht die farblichen Veränderungen direkt beim Patienten auf die Moulage aufgemalt. Es wurden wieder nur die oben erwähnten Farben eingesetzt und diese in Terpentinöl gelöst fein stupfend, schichtweise von den helleren zu den dunkleren Farbtönen übergehend auf die Moulage gebracht. Durch das Terpentinöl wurde die Oberfläche der Moulagenmasse etwas gelöst und die Farben können in die Masse eindringen. Die Oberflächenstruktur durfte dabei nicht zerstört werden. Durch verstupfen mit feinen Pinseln wurden weiche Farbübergänge erzielt.

 

Schliesslich wurden mit Wachsmischungen, Lacken, Harzen, Leimen und anderen Hilfsmitteln Effloreszenzen wie Schuppen, Krusten oder Feuchtigkeit nachgebildet. Haare werden einzeln in die Moulage eingesetzt und müssen mit der Behaarung des Patienten übereinstimmen.

 

Traditionellerweise wurde die Moulage zum Schluss auf ein schwarzes Holzbrett aufgeschmolzen und mit einem weissen Stoffstreifen umrandet. In der Regel wurden auf dem Brett auch die Diagnose, eine Moulagennummer und der Hersteller oder Herstellerin der Moulage vermerkt.
 

Moulagen in Zürich
1916 wurde die dermatologische Klinik in Zürich neu gegründet und dies war auch der Anfang der Moulagensammlung. Bruno Bloch, der neue Klinikdirektor, wünschte unter moulageanderem, dass aus dem Einrichtungskredit für 3000 Franken "Moulagen und Material zur Anfertigung von Moulagen" bezogen werden können. Bloch hatte die Sammlungen in Wien, Berlin und Paris bereits in seiner Ausbildung schätzen gelernt. Er schrieb 1922: "Eine dermatologische Klinik ohne eigene Moulagensammlung und ohne die Möglichkeit, die in ihr vorkommenden, praktisch oder theoretisch wichtigen Fälle moulagieren zu lassen, ist nicht vollständig". Moulagen stellten ein wichtiges Lehrmittel im Hörsaal dar. Im 1924 fertiggestellten Neubau der Dermatologische Klinik waren denn auch die Moulagen in unmittelbarer Nähe des Hörsaals untergebracht und für die Vorlesung griffbereit. Die Moulagensammlung genoss auch die Förderung von dem Nachfolger Bruno Blochs, Guido

Mieschers, der keinen Zweifel darüber offen liess, "dass Moulagen eine grosse didaktische und wissenschaftliche Bedeutung besitzen".

  Abb: Moulage aus dem

Moulagen museum Zürich

 

Lotte Volger (1883 - 1956) begann an der Zürcher Klinik mit dem Aufbau einer dermatologischen Moulagensammlung. Volger war 1918 durch den Ersten Weltkrieg aus Deutschland in die Schweiz gekommen und arbeitete bis ins hohe Alter in der Sammlung. 1950 übergab sie ihre Stelle Ruth Willi (1919 - 2004), die sie selbst ausgebildet hatte und der sie das geheim gehaltene Rezept der Moulagenmasse anvertraute. 1956 trat Ruth Willi aus familiären Gründen zurück. Die damals bereits über 1000 Moulagen grosse Sammlung wurde in den 6 Jahren ihrer Tätigkeit um gegen 200 Stücke erweitert. Während dieser Zeit wurde der ehemalige Heizungskeller der Klinik zu einem Demonstrationsraum ausgebaut. Besonders aufwendig war daneben die dringend notwendig gewordene Restauration und Auffrischung der älteren Moulagen.

 

Als letzte Moulageuse arbeitete Elsbeth Stoiber (geb. 1924). Sie arbeitete nicht nur in Zürich und Zürcher Patienten, sondern reiste auch zwei Mal in Indien. Sie moulagierte Leprafälle und anderen tropischen Hautkrankheiten.

 

In Zürich führte sie die Ausstellung von ausgewählten Moulagen im Hörsaal ein, die jeweils auf die vorhergegangene Vorlesung abgestimmt waren. Die vorhandene Moulagensammlung diente den Studierenden zum Selbstunterricht. Ebenfalls wurden Führungen für das Pflegepersonal durchgeführt.

 

In Zürich sind nicht nur dermatologische, sondern auch chirurgische Moulagen zu finden – eine Rarität, die es sonst nur noch in Paris gibt. In den Jahren 1919 bis 1927 wurden vom chirurgischen Klinikchef, Paul Clairmont, Moulagen von chirurgischen Krankheitsbildern in Auftrag gegeben. Etwa 500 chirurgische Moulagen wurden von Adolf Fleischmann (1892 - 1968) hergestellt. Fleischmann war eigentlich als wissenschaftlicher Zeichner angestellt, wurde aber von Lotte Volger zur Herstellung chirurgischer Moulagen zum Moulageur ausgebildet.

 

Im Laufe der 1960er Jahren werden die Moulagen durch die verbesserten Möglichkeiten der Farbdiaprojektion und Fernsehbildübertragung aus den Hörsälen verdrängt. Zudem ist eine Moulagensammlung ungleich schwieriger zu betreuen und auszubauen als eine Diasammlung - ganz abgesehen vom grossen Platzbedarf. In den 1970er Jahren gerieten die Moulagen in Zürich auch bei den Ärzten zunehmend in Vergessenheit, ja man wollte die platzkonsumierenden Objekte sogar fortgeben oder vernichten. Dass dies verhindert wurde, ist dem Einsatz und der Initiative von Einzelpersonen, besonders der Moulageuse Elsbeth Stoiber, zu verdanken.

 

Das Moulagenmuseum
1979 unterstützte der damalige Klinikdirektor der Dermatologie zusammen mit Elsbeth Stoiber den damaligen Konservator des Medizinhistorischen Museums der Universität Zürich bei der Durchführung einer Sonderausstellung zum Thema „Wachsbildnerei in der Medizin“. Die Ausstellung sollte vor allem der nunmehr aussterbenden Moulagen-Kunst gewidmet sein. So begann die Renaissance der Moulagen in Zürich. Zudem wurde von Elsbeth Stoiber in einer Tonbildschau die bisher geheim gehaltene Technik der Moulagenherstellung präsentiert.

 

In den folgenden Jahren wuchs das Interesse an Moulagen. Es entstanden Filmbeiträge und Artikel über die Arbeiten von Elsbeth Stoiber und Moulagen wurden an Kongressen ausgestellt. StaatsexamenskandidatInnen, AssistentInnen und Pflegepersonal konnten die Moulagen konnten in Vitrinen studieren – immer noch im alten Heizungskeller der Dermatologischen Klinik von studiert werden.

 

1993 zog die Sammlung in einen modernen, gut ausgerüsteten Museumsraum an der Haldenbachstrasse 14 um. Das Universitätsspital Zürich konnte darin gut ein Drittel der über 1800 Moulagen ausstellen. Neben der Moulagensammlung ist in diesem Gebäude auch die historisch aus der Moulagenabteilung gewachsene Abteilung für Epithetik untergebracht. Die Moulagen der Zürcher Sammlung wurden im neuen Museum sowohl für StudentInnen als auch für ein breites Publikum zugänglich gemacht. Im Oktober 2000 wurde die erste Sonderaustellung mit dem Titel "Vom Erbgrind zum Fusspilz - Moulagen dokumentieren den Wandel der Krankheit Hautpilz" eröffnet.

 

Ein Ausflug ins Moulagenmuseum ist zwar sehr interessant, aber nur etwas für starke Nerven. Man bewegt sich zwischen Melanomen, Karzinomen, gut- und bösartigen Tumoren, Kröpfen, Grind, Klumpfüssen, Pocken, Pusteln, Pickeln, Darmbrüchen und Amputationen. Die Moulagen beeindrucken nicht nur durch ihre Wirklichkeitstreue, sondern auch durch die Leidensgeschichten, die dahinter stehen. Deshalb ist es gut zu wissen, dass alle PatientInnen ihr Einverständnis für die Nachbildungen gegeben haben. Die Moulageuse hatte zudem bis zu einem gewissen Grad den Nimbus einer Heilerin, denn der kühle Gips war angenehm auf der wunden Haut. So glaubte wohl mancher Patient, es werde ihm nun die Krankheit aus dem Körper gezogen.

 

Wo sind die Moulageusen heute?

Die Kunst des Moulagierens wird nicht in Lehrgängen unterrichtet, sondern nach wie vor von Person zu Person weitergegeben. In St.Gallen gibt es ein Moulagenatelier, wo man auf Wunsch Moulagen erstellen lassen kann. Die Technik dazu erlernte die Künstlerin als Restaurateurin im Moulagenmuseum in Zürich vom Kurator, der es seinerseits von der letzten Moulageuse gelehrt bekam. Aber im Spital gibt es keine Moulageusen mehr, welche neue Moulagen anfertigen. Denn nicht nur die Anfertigung neuer Moulagen ist zu teuer, dazu kommt noch die Erhaltung und Restauration der Objekte. So ist zwar der Beruf der Moulageuse ausgestorben, die Kenntnis über die Technik ist jedoch nach wie vor vorhanden.

 

Verwendete Quellen

Monumente Online (ohne Datum): Duell um Floras wächsernes Lächeln >>


Moulagenmuseum Universitätsspital und Universität Zürich >>

Weiterführende Links
Moulagenatelier >>

 

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