Bei der sogenannten Kamptokormie beugt sich der Rumpf wie von einem Gummiband gezogen um oft mehr als 45 Grad nach vorne, nur mit äußerster Willens- und Kraftanstrengung kann sich der Betroffene kurzfristig aufrichten, wie die Münchner Physiotherapeutin Frauke Schroeteler in der Fachzeitschrift «physiopraxis» berichtet. Bei der Antercollis sei die Halswirbelsäule betroffen: Während der Rücken gerade bleibe, werde der Kopf teilweise extrem gebeugt. Wenig bekannt sei, dass den Patienten mit gezielten Übungen geholfen werden könne, betont die Expertin.

Dass die Rumpffehlhaltungen vergleichsweise unbekannt sind, ist laut Schroeteler auf deren seltenes Auftreten zurückzuführen: Nur eine Minderheit der Parkinson-Patienten entwickle einen Anterocollis oder eine Kamptokormie. Beide Fehlhaltungen machten es den Patienten fast unmöglich, länger gerade zu sitzen, zu stehen oder zu gehen. Auffällig sei, dass die Betroffenen im Gehen und Stehen der unwillkürlichen Beugung hilflos ausgeliefert seien, während die Symptome im Liegen verschwänden und die Wirbelsäule in ihre neutrale Position zurückkehre.

«Die Fehlhaltungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen und schränken Selbstständigkeit und Motorik zusätzlich zur Parkinson-Symptomatik ein», erklärt Schroeteler, die seit zehn Jahren am Neurologischen Krankenhaus München arbeitet. Auch sei die Sturzgefahr bei diesen Patienten noch stärker erhöht als bei anderen Patienten mit Parkinson.

Die Ursachen von Kamptokormie und Anterocollis sind bislang noch nicht endgültig geklärt: Manche Experten halten es nach Angaben der Physiotherapeutin für möglich, dass hier nicht nur die dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn absterben, sondern zusätzlich auch nichtdopaminerge Funktionssysteme. So ließe sich auch erklären, warum die gängigen Parkinson-Medikamente die Rumpffehlstellungen oft nur unzureichend oder gar nicht lindern.

Eine gezielte Physiotherapie sei für die Patienten somit oft die einzige Möglichkeit, gegen die Störungen anzuarbeiten und die Lebensqualität zu steigern. «Mit Hilfe einer intensiven Therapie in Verbindung mit der richtigen Hilfsmittelversorgung lassen sich messbare Verbesserungen erzielen», verspricht Schroeteler. Ein Schwerpunkt liege dabei auf der Kräftigung der Streckmuskulatur von Rücken, Hüfte und Knie. Die Patienten seien darüber hinaus auf mobile Hilfsmittel wie eine Halskrause oder einen Rollator angewiesen, die eine Vertikalisierung des Oberkörpers beziehungsweise des Nackens erleichterten.

Diese Hilfsmittel unterstützen nach Angaben der Expertin nicht nur bei der Aufrichtung, sondern bieten auch die Chance einer kontinuierlichen Haltungsschulung. Wichtig sei es zudem, das Gleichgewicht und das Gespür für die eigene Körperhaltung zu schulen. Die Patienten müssten zudem kontinuierlich mindestens drei Mal pro Woche behandelt werden und möglichst jeden Tag selbstständig zu Hause üben. Kamptokormie und Anterocollis seien hartnäckige Störungsbilder, betont Schroeteler: «Erreichte Therapieerfolge halten nur kurzfristig an, so dass regelmäßig und kontinuierlich trainiert werden muss.»